Samstag, 23. Februar 2013

Vom Abbau der Schulden ohne Geldvernichtung





Eine Klärung

„Schulden und Guthaben sind  immer gleich hoch“.  Diese Aussage hört man immer häufiger.
Es gibt  aber entscheidende Meinungsunterschiede in der  Interpretation der Aussage.  Im herkömmlichen neoklassischen Verständnis, in dem Kredite Ersparnisse voraussetzen,  ist diese Aussage eine Tautologie, die sich   aus den Regeln der Bilanzierung ergibt.  Die Guthaben  des Einen sind zwangsläufig bei  einem Verleihvorgang die Schulden  eines Anderen. An die Stelle einer Einlage – am Besten vorstellbar als Bareinlage – auf der Aktivseite der Bilanz tritt „nur“ eine Forderung des Kreditgebers.  An der Bilanzsumme aber ändert sich dabei nichts.
Die Einlage des „Sparers“ kommt also von Außen in die Bank – besser: die Sparkasse – hinein. Das Geld befindet sich also zuerst außerhalb der Sparkasse (Outside-money oder exogenes Geld) und kommt dann in die Sparkasse hinein. Es wird dann intern weitergegeben bzw. bei Schuldentilgung wieder zurück gezahlt, womit es auch wieder nach Außen abfließen kann. Das Outside-money bleibt damit erhalten. Schuldenabbau bedingt keine Geldvernichtung!

Von dieser Ansicht gehen alle Überlegungen aus, wie denn die Finanzkrise überwunden werden kann. Das Geld, das der Staat nicht ausgibt, muss irgendwo anders da sein. Und dort auch ausgegeben werden. Die Vorstellung eines „Crowding out“ durch Beanspruchung des Kapitalmarktes  durch den Staat wird also nur umgedreht: Das Geld ist ja da, es muss nur von jemanden ausgegeben werden.  Dass sich mit Geld jedoch von Anfang an (ad ovo) eine Verschuldung verbindet, kann nicht gesehen werden, so lange man Geld vor allem als Tauschmittel sieht. Schulden finden hier theoretisch keinen Platz. Geld wirkt nur ähnlich einem Katalysator, der selbst in die neue chemische Verbindung nicht eingeht. Und so nach dem vollständigen Tausch immer wieder ein Kredit ad hoc zurückgezahlt (A nimmt Kredit, A tauscht mit Geld mit C /// A tauscht für  Geld mit W, A zahlt Kredit zurück) und sofort wieder verwendet werden kann  „Es läuft um“: So die allgemeine Rede.
Daraus resultierte die Ansicht: „Money doesn’t matter!“ (except simplyfing the exchange).

So wird unser Geld allgemein gesehen. So aber ist es nicht!  Das Geld, das nach diesem Verständnis als Ersparnis in der Bank angelegt und als Einlage in der Bankbilanz erst buchhalterisch erfasst wird -, muss von Außen komme. Wo es irgendwie und irgendwo, wonach nicht gefragt wird, vorhanden ist. Und irgendwie herumschweben muss, so lange wir nicht den Ort, wo es liegt,  dingfest machen können.  Welches Geld ist das aber? Das der Zentralbank, wie unterstellt wird, wenn man diese als alleinige Quelle der Geldschöpfung sieht?  Doch Zentralbankgeld ist kein Outside-money.  Erkennbar  ist das in der konsolidierten und auch aggregierten  Bilanz  der monetären Finanzinstitutionen (MFI)  auch die Zentralbank enthalten ist. Siehe dazu Monatsbericht der Deutschen Bundesbank bzw. der EZB http://bundesbank.de/download/volkswirtschaft/monatsberichte/2012/201201mb_bbk.pdf, Statistik II/2  wo es in der Fußnote heißt: Zu den Monetären Finanzinstituten (MFIs) zählen die Banken (einschl. Bausparkassen), Geldmarktfonds sowie Europäische Zentralbank und Zentralnotenbanken.

Wie oder was Geld heute tatsächlich ist,  jedoch so nicht gesehen wird, zeigt wiederum auch die obige Statistik: Sie zeigt, dass alles Inside-money ist. Dass sämtliches Geld innerhalb des Bankensystems geschaffen wird! Das Zentralbankgeld entsteht durch Kreditschöpfung aus Krediten, so wie auch das Geschäftsbankgeld – das Buchgeld – aus Krediten oder kreditähnlichen Forderungen, wie etwa Staatsanleihen, als buchhalterische Gegenposition entsteht. Schon in den 1920 Jahren schrieb deshhalb Albert Hahn: „Das Aktivgeschäft kommt vor dem Passivgeschäft“. Mitarbeiter von Keynes wie Michal Kalecki haben das ähnlich gesehen, Keynes selbst konnte sich aber dazu nicht endgültig durchringen.
Bei der Kreditgeldschöpfung kommt  also nichts von Außen herein. Es wird „nur“ die Bankbilanz autonom durch die Bank verlängert. Auf der Aktivseite der Bilanz werden dabei die Kreditschulden – die Forderungen gegen die Kreditnehmer – vergrößert, also verlängert, woraus  sich  zwangsläufig auch eine Verlängerung der Passivseite  ergibt- und damit  auch eine Vermehrung der Guthaben in Form von täglich fälligen Einlagen oder Termineinlagen. Zusätzliches Geld und Geldvermögen wird also durch zusätzliche Verschuldung geschöpft. Die Banken verleihen idealtyisch keine von Außen kommende Einlagen (Outside-money), sondern viel mehr nur selbst“ gefertigtes“ Geld (Inside-money, endogenes Geld).  Damit aber verbindet sich mit dem Geld ad ovo eine Schuld – Kreditschulden, die so lange stehen bleiben, bis sie getilgt werden. Diese Schulden müssen zwangsläufig gemacht werden, wenn Unternehmen in Produktionen investieren. Die Herstellung heute von Produkten, die erst morgen fertig sind und gegen Geld verkauft werden, mit dem auch die Schulden getilgt werden können. Das heißt auch: Schulden gibt es nur dort, wo auch die Zeit gibt,  die Zeit für die Produktion  nicht außer Betracht gelassen werden, wogegen  der Tausch die Zeit nicht braucht. 
Daraus folgt nun aber auch ein anderer Zusammenhang mit der Aussage „dass Schulden und Guthaben immer gleich hoch sind“. Werden hier Schulden abgebaut und damit reduziert, so müssen  zwangsläufig auch die Guthaben reduziert werden. Das heißt: Geld wird vernichtet. Das allerdings wird fast immer in der geführten Debatte vergessen – oder nicht einmal gesehen.
Konkret heißt das in der gegenwärtigen Verschuldungskrise, dass ein Schuldenabbau auch nur bei einem Guthaben-Abbau – bei Geld-Vernichtung -  möglich ist. Hier also liegt des Pudels Kern begraben, der – nicht nur -die ganze EU Kopf stehen lässt!! Mit einem falschen Verständnis von Schulden und daraus einem falschen Handling dieser ist das Wirtschaftsvehikel in den Graben gefahren worden. Wenn es denn eine Lösung gefunden werden soll, dann nur mit einem anderem Verständnis von Schulden. Und einem anderen Verständnis von Geld:  Nicht Tauschmittel, sondern Schuldentilgungsmittel. Geld wirkt also in die Vergangenheit zurück, in der die Schulden durch Kreditaufnahmen gemacht wurden, die heute zu tilgen sind.
Und da  die Schulden des Staates auf der Gegenseite der Bilanz die Vermögen von Privaten bilden, wurden mit dem bislang falschem Handling nicht nur immer mehr Schulden aufgetürmt, sondern auch die Vermögen. Die Besteuerung von Vermögen greift zu kurz.  Es geht um eine Vermeidung von Schulden bzw. einen raschen Abbau von Schulden, wenn sie nicht vermieden werden können.

Dieses irrige Verständnis von Vermögen und Schulden hat seine Auswirkungen nicht nur auf die staatliche Politik, sondern auch auf die Reaktionen der Bürger. Sie sehen Vermögen als etwas konkret Greifbares, das angeeignet werden kann. Ob rechtmäßig oder  unrechtmäßig. Das Vermögen der Vermögenden sind aber „nur“ Forderungen gegen die Schuldner, gegen den Staat. Bei einer gewaltsamen Enteignung fallen dann den Enteignern bestenfalls diese Forderungen zu, die aber nur so lange Vermögen sind, wie das Eigentumsrecht nicht nur gilt, sondern auch exekutiert wird.


Was nun aber verändert werden müsste, damit Geld so ist, wie es gesehen wird, dazu müssen wir nicht erst neue Vorschläge erarbeiten. Dass dieser bereits vorhanden sind, zeigt Joseph Huber mit seinem Vollgeld-Vorschlag. Bei Vollgeld – was für ‘vollwertiges gesetzliches Zahlungsmittel’ steht - liegt das alleinige Geldschöpfungsecht bei der Zentralbank:
. "Der Übergang zu Vollgeld erfordert keinerlei missliebige Veränderungen der Institutionen, weder im Bankensektor noch an den Finanzmärkten. Geld geht durch die Umstellung vom Reservesystem zu Vollgeld niemandem verloren. Alle Konten und ihre Bestände, insbesondere auch alle Forderungen und Verbindlichkeiten, bleiben unangetastet in voller Höhe erhalten. Die Umstellung erfolgt, indem an einem Stichtag ab der Stunde X die bisherigen Girokonten zu Geldkonten werden und die Sichtguthaben des Publikums somit vollwertiges Geld darstellen. Sie fallen damit aus der Bankenbilanz heraus. Im Gegenzug werden die bisherigen Sichtverbindlichkeiten der Banken gegenüber dem Publikum zu einer Geldverbindlichkeit der Banken gegenüber der Zentralbank.  Nichts anderes sind Sichtguthaben: Forderungen/Verbindlichkeiten, welche die Banken anstelle der Zentralbank geschaffen haben. Die zu Geldverbindlichkeiten gewordenen vorherigen Sichtverbindlichkeiten der Banken sollten im Interesse eines unveränderten finanziellen Status quo der Banken weiterhin unverzinslich bleiben. Jedoch werden sie zu tilgen sein, vielleicht im Verlauf von zehn Jahren. Je nach den hierbei gesetzten Fälligkeiten und Raten wird dies bedeuten, dass die betreffenden Verbindlichkeiten nach und nach revolviert und damit umgewandelt werden in neue, dann verzinsliche Geldaufnahmen der Banken, sei es per Zentralbankkredit oder per Geldanlagen des Publikums- bei den Banken. Der bisherige Margen-Extragewinn aus der Sichtguthabenschaffung hebt sich damit nach und nach auf." (Huber, Vollgeld S. 261)
Und weiter dann :
"Mit Übergang zu Vollgeld wird es nicht mehr wie im Geldreserve-System sinnvoll und erforderlich sein, Zentralbank und Kreditinstitute als einen konsolidierten Bankensektor den Nichtbanken, dem Publikum gegenüberzustellen. Man wird die Bilanzen der Zentralbank und der Geschäftsbanken getrennt lassen. Dazu sollte die Zentralbankbilanz so gestaltet werden, dass sie die zirkulie-rende Geldmenge M vollständig enthält ebenso wie weiterhin ein vollständiges Bild der Regulationsgeschäfte in Form von Kredit- und Devisenoperationen mit in- und ausländischen Banken. Hierfür könnte es sich eventuell anbieten, die Gesamtbilanz der Zentralbank zu gliedern in einen betriebs-, regulations- und schöpfungsbilanziellen Teil, oder aber, der Zentralbankbilanz eine spezielle Geldschöpfungs-Bilanz, praktisch ein Geldbestands-Konto, auszugliedern bzw. voranzustellen." (Huber, S. 265) 

Diese Ausführungen sagen, dass für die Einführung von Vollgeld keine neue Strukturen  erforderlich sind, was bei anderen geldreformerischen Vorschlägen meist nicht so – und  daher bei Weitem nicht so problemlos -  ist. Diese Vorschläge sind ja meist vollkommenes Neuland, über das es zwar Visionen gibt, wie es ausschauen könnte und was dort zu erwarten ist, dessen tatsächlichen Gegebenheit erst in Zukunft erkennen und erfahren kann. In der Einsicht dieses, stellt sich die Frage, wie bereit die Menschen sind, dorthin auswandern.


Hier soll noch auf eine Frage eingegangen werden, die sich seit Anfang der neuen Vorstellung einer autonomen Geldschöpfung der Geschäftsbanken stellt: Warum denn die Banken, wo sie doch autonom selbst Geld erzeugen können, Einlagen der Bankkunden einwerben und dafür auch noch Zinsen zahlen. 
Die Antwort ergibt sich ja nicht aus der Ansicht, dass eben Kredite „Spareinlagen“ voraussetzen, sondern aus der von den Banken zu regelnden Fristenkongruenz. Bei langfristig abzuschreibenden Investitionen – einer größerem Maschine, einem Kraftwerk etwa – fließt die mit einem Kredit finanzierte Kaufsumme sehr rasch zurück zu den Produzenten und Verkäufern dieser Güter, womit diese dann ihrerseits ihre Kredite für die Vorfinanzierung deren Produktion tilgen können. Mit der  Kredittilgung wird nun aber  auch Geld aus den neuen Krediten vernichtet, wogegen die Kredite der Investoren selbst monate- bis jahrelang bis zur endgültigen Tilgung stehen bleiben. Gegenüber der „vollen“ linken Seite der Bankbilanz  – den Forderungen – bleibt hier vorerst eine „leere“ rechte Seite in Form fehlender  Bankverbindlichkeiten, ähnlich einer Kinderwippe, auf der nur auf einer Seite ein Kind sitzt.  Diese „leere“ rechte Seite wird dann aber mit den Rücklagen insbesondere aus dem Bereich Haushalte gefüllt, weil ja dort die monatlich ausgezahlten  Einkommen nicht spontan wie beim Kauf eines Investitionsgutes, sondern verteilt auf Monate bis zu Jahren ausgegeben werden, und damit hier die Bankbilanz auf der rechten Seite „übervoll“ ist.  Die oben genannten fehlenden Verbindlichkeiten können  dieses  Übermaß abdecken. Das, was als Sparen der Haushalte ausschaut, ist eben die o.a. Fristenkongruenz. Es ist ein Sparen, aber eines, das erst nach Kreditvergabe entsteht, und nicht schon vorher da war.

Zum Bereich Haushalte ist noch zu sagen, dass dieser ja die  ganzen Wertschöpfungskette begleitet und welche die Lohneinkommen als einen ganz entscheidenden Finanzierungs-Anteil in jeder Ebene der gesamten Wertschöpfungskette hervorbringt -  von der Gewinnung von Rohstoffen bis letztlich hin zu den kleinteiligen Konsumprodukten wie ein Paar Hosen, einem Laib Brot   oder einem IPad. Mit diesen Lohneinkommen wird dann von jeder Ebene aus auf schon früher gefertigten Konsumprodukt zugegriffen.  

Ich füge hier hinzu, dass mir dieser Zusammenhang auch erst jetzt  so richtig klar wurde. Und  ich die oben angeführte Frage erst jetzt überzeugend beantworten kann. „Sparer“ werden nicht deshalb gebraucht, um Kredite vergeben zu können, sondern zur Einhaltung der „Goldenen Bankregel“.

Ernst Dorfner  02/2012


Aus Wikipedia:
Fristenkongruenz bezeichnet die Übereinstimmung der Fristen von Kapitalbindung und Kapitalüberlassung von Aktiva und Passiva in der Bilanz. Die Nutzungsdauer einer Anlage sollte demzufolge die Bezugsgröße für die Laufzeit der zugehörigen Finanzierung sein. Das bedeutet, dass länger im Unternehmen verbleibende Gegenstände (wie z. B. Investitionsgüter) auch durch langfristige Finanzierung (Langzeitkredit/Eigenkapital) gedeckt sein sollten.
In der Regel wird dabei davon ausgegangen, dass Eigenkapital zeitlich unbegrenzt und Fremdkapital gemäß den vereinbarten Rückzahlungsfristen zur Verfügung steht.
Der Grundsatz der Fristenkongruenz findet seinen Ursprung in den gesetzlichen Finanzierungsregeln für Banken (Goldene Bankregel). Dabei sollen die Laufzeiten der ausgegebenen Kredite an die Schuldner einer Bank mit den Laufzeiten der einkommenden Einlagen von Kunden übereinstimmen.

Montag, 22. Oktober 2012

HINWEIS:

Mehr Beiträge findest du unter www.aktegeld.blogspot.co.at (Inhatsverzeichnis) 
bzw. 
unter aktegeld1.blogspot.co.at bis aktegeld11.blogspot.co.at